Historie Kriegsgräberstätte und Kriegsgefangenenlager

Die Geschichte des Soldatenfriedhofes und des Kriegsgefangenenlagers aus dem 1. Weltkrieg 1914 – 1918 in Dietkirchen

Oberstabsfeldwebel a.D. Franz Prox, der sich besonders um die Historie Kriegsgräberstätte und Kriegsgefangenenlager verdient gemacht hat und der einige Grundlagen dieses Berichtes erarbeitet und mir zur Verfügung gestellt hat, ist am Anfang dieses Berichtes besonders zu danken.

Der „Russen“ – Friedhof in Dietkirchen, auch Franzosenfriedhof genannt, gehörte ursprünglich zu einem Kriegsgefangenenlager, das Ende 1914 zu beiden Seiten der Straße, die von Dietkirchen nach Limburg führt, oberhalb des Bildstockes am Ende des Dorfes, der noch heute dort steht, für etwa 10 000 – 12 000 gefangene Soldaten eingerichtet worden war. Das Lager umfasste etwa 24 Hektar. Das heißt, der Friedhof ist immer in Verbindung zu dem Kriegsgefangenenlager zu sehen.

Gegen Ende Dezember 1914 waren bereits 3 000 Gefangene, meist Franzosen, Iren und Engländer, später aber auch russische und auch polnische Soldaten in den Baracken des Lagers untergebracht.

Bewacht wurde das Lager von deutschen Soldaten (Landsturm) des 18. und 8. Armeekorps.

Auf der linken Seite der Straße von Dietkirchen nach Limburg lag das Gefangenenlazarett mit acht Krankenbaracken, einer Todesbaracke und dem Friedhof.

Die Gefangenen wurden im Limburger Bahnhof aus den Zügen ausgeladen und mußten dann zu Fuß nach Dietkirchen laufen, meist begleitet von der Limburger und Dietkircher Bevölkerung. Die verwundeten Gefangenen wurden vom Bahnhof Limburg mit eisenbereiften Bauernwagen auf Stroh liegend in das Lagerlazarett gebracht. Und da die „Straßen“ und Wege nach Dietkirchen damals in einem katastrophalen Zustand waren, man kannte ja nur Kopfsteinpflaster, war die Fahrt, vor allem für die Schwerverwundeten, eine einzige Tortur.

Im Lager war rechts der Straße von Dietkirchen nach Limburg der Kohlenlagerplatz, der Appellplatz und das eigentliche Gefangenenlager. Aber auch eine Entlausungsstation gab es.

Alles war in Barackenbauweise gebaut und durch Zäune in einzelne Lagerbereiche eingeteilt. In einer Baracke lebten 20 – 50 Gefangene. Sie hatten nur einfache Betten mit Strohmatratzen, teilweise schliefen sie aber auch in Hängematten. Schränke gab es nicht, nur offene Wandregale. Geheizt wurde mit Kanonenöfen, die in der Zimmermitte standen.

Auf dem Lagerfriedhof, der am Anfang weder umzäunt, noch irgendwie als Friedhof erkennbar war, wurde am 23. Dezember 1914 mit militärischen Ehren unter der Teilnahme des Dietkircher Kriegervereins der erste Tote des Lagers, ein Irländer bestattet, Fredrick Reilly (geb. 24. 08. 1864, gest. 20. 12. 1914) vom 1st Battalion CHESHIRE. Ein großes Gefolge nahm an der Beerdigung teil. Deutsche Veteranen in Frack und Zylinder trugen die Reichsflagge und eine Blaskapelle spielte das Lied: „Ich hat` einen Kameraden“.

Von Dezember 1914 bis April 1915 besuchte Sir Roger Casement das Lager mehrfach, um Freiwillige Iren für eine Irische Brigade zu gewinnen, die an der Seite deutscher Truppen in den sich anbahnenden irischen Aufstand (Osteraufstand) eingreifen sollte. Trotz Versprechungen für eine bessere Behandlung fanden sich nur 56 Freiwiliige, die dem Ruf Casements folgten. Nach den Erinnerungen von Soldat Joseph Mahony, „…hielt Sir Roger Casement im Februar 1915 eine Rede vor den gefangenen Iren und forderte sie auf, einer Irishen Brigade beizutreten, da dies eine Chance wäre, für das Land Irland einen großen Schlag zu tun. Er wurde aber aus dem Lager ausgebuht….“.

Im Mai 1915 betrug die Zahl der Kriegsgefangenen bereits 12 000.

Die Gefangenen wurden bei allen anfallenden Arbeiten eingesetzt. So zum Beispiel bei Bauern in der Landwirtschaft, in Betrieben der umliegenden Orte und auch in Limburg, auf dem Bau oder in den Steinbrüchen rings um Dietkirchen, so daß das Lager tagsüber meist „ausgestorben“ war.

„Schmalhans“ war im Lager, vor allem in den letzten Jahren des Krieges, „Küchenmeister“, so dass am Tagende, beim Rückmarsch in das Lager, sich nicht selten die Gefangenen auf am Straßenrand liegende Dickrüben stürzten. Aber auch die Lagerwachmannschaft litt Hunger. „Organisieren“ von Lebensmitteln aller Art, vor allem in den letzten Kriegsjahren, gehörte auch zu „ihrem Dienst“. Auch bei den Einwohnern von Dietkirchen wurde „organisiert“.

Im August 1916 wurde der bisherige einfache Lagerfriedhof als Militärfriedhof ausgebaut. Jedes Grab war mit einem Kreuze geziert, auf welchem der Name des Entschlafenen stand. Die Gräber waren in drei Reihen angelegt. Je 10 Gräber bildeten eine Einheit.

Am 25. Mai 1917 (Pfingsten) wurde für die auf dem Friedhof liegenden Iren ein 3 m hohes und 1,60 m breites „irisches Hochkreuz“ errichtet, auf dem die Namen der verstorbenen Gefangenen eingeschlagen wurden. Dieses Kreuz wurde von den irischen Gefangenen zum Andenken an ihre verstorbenen Kameraden, die auf dem Friedhof beerdigt waren, gestiftet.
Dieses Gedenkkreuz erinnert auch an die irischen Soldaten, die 1915 / 1916 an anderen Orten in Deutschland verstorben und auch dort begraben waren. So zum Beispiel in Kördorf / Nassau, Runkel, (Bad) Schwalbach, Gießen, Zerbst / Dessau und Aachen.

Hochkreuze dieser Art gibt es grundsätzlich nur in Irland und sind außerhalb der Insel sehr selten zu finden. Man kann sogar sagen, außerhalb Irlands sind sie eine ausgesprochene Rarität. Irische Hochkreuze sind glanzvolle Musterbeispiele archetypischer, keltischer Kunst und Architektur.
Die Hochzeit der Hochkreuze war das 9. und 10. Jahrhundert, die Hochblüte der Christianisierung Irlands. Sie sind meist aus Granit, manchmal auch aus Basalt oder Sandstein und haben eine Höhe zwischen 3 m und 4 m, manchmal aber auch mehr. In den Stein sind meist Bibelszenen oder Inschriften als filigrane Dekoration eingemeißelt.

Nach Aussage (1998) des Limburger Domrestaurators Josef Weimer, ist dieses Kreuz einmalig schön und seine Art in unseren „Breiten“ kaum noch einmal zu finden. Im Jahr 2000, so war einmal geplant, sollte es restauriert werden.

Weniger Anklang fand das am 03. August 1918 eingeweihte französische Denkmal, das der im Lager internierte französische Bildhauer, Eduard Colomo, angefertigt hatte. Es zeigte eine, auf einem hohen Sockel stehende, nackte männliche Figur, die den Blick und die rechte Hand in den Himmel richtet.
1959 wurde das nicht mehr restaurierungsfähige französische Denkmal entfernt und für die russischen (sowjetischen) Soldaten durch die Stadt Limburg der heutige Gedenkstein aufgestellt.

Bis zu diesem Zeitpunkt waren auf dem Friedhof beigesetzt (die bekannten Angaben sind jedoch ungenau):

334 (336) Russen (später 7 00 Russen),
123 (127) Franzosen,
59 (60) Italiener,
47 Engländer,
45 Iren,
7 Serben,
1 (2) Belgier und
1 Rumäne.

Nach dem Kriege wurde das Lager aufgelöst, die Baracken abgerissen. Das Material holte sich die Bevölkerung.

Der Friedhof blieb Ruhestätte der in der Gefangenschaft verstorbenen Gefangenen. Keiner der Freigelassenen blieb hier, nur diese Toten.
1923 wurden die verstorbenen Franzosen, Iren, Italiener und die Belgier exhumiert und teilweise in ihre Heimat oder auf größere Kriegsgräberstätten in Deutschland, z. B. Kassel – Niederzwehren übergeführt, hier hauptsächlich die Iren, während die russischen ( sowjetischen ) Soldaten auf dem Friedhof verblieben. Russland (Sowjetunion) wollte sie nicht.
Auf diese Tatsache ist zurückzuführen, daß die Kriegsgräberstätte im Volksmund auch „Russenfriedhof“ genannt wird.

Auf dem Friedhof, gleich rechts, wenn man den Friedhofseingang passiert hat, liegt jedoch noch ein Franzose, Capitaine (Hauptmann) Louis – Eugene – Alexandre Hasne, von der 3. Kompanie, des 2. Bataillons, des 319. Regiment der Infanterie, begraben.
Geboren ist er am 30. März 1891 in Cherbourg (Manche), gestorben ist er am 16. 06. 1918.

Nach der Beendigung des 1. Weltkrieges, bis etwa 1920, diente das Lager (das ehemalige Lagerlazarett) als Entlassungsdienststelle (Durchgangslager) für die deutschen Soldaten, die aus der alliierten Kriegsgefangenschaft nach Deutschland zurückkehrten.

Während des 2. Weltkrieges wurde der Friedhof teilweise wieder neu genutzt. Aus dem Stammlager XII (STALAG) in Freiendiez (heute Freiherr – vom – Stein – Kaserne) wurden zwischen 1942 und 1945 247 russische (sowjetische) Kriegsgefangene auf dem „Russenfriedhof“ beigesetzt. Einige von diesen Russen kamen bei dem Bombenangriff am 23. Dezember 1944 um’s Leben, als amerikanische Bomberverbände irrtümlich das Lager bombardierten, weil ein starker Ostwind die gesetzten Markierungszeichen (Christbäume) in Richtung Diez getrieben hatte.

Anfang der 60er Jahre verschönerten Jugendliche des Limburger Kreisjugendringes unter der Leitung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. den Friedhof.

Am 21. Oktober 1954 wurden 3 Russen, die in der Gemeinde Oberweyer aus Feldgräbern exhumiert wurden, auf dem Dietkircher Soldatenfriedhof beigesetzt. Diese 3 Russen wurden im Frühjahr 1945 als Kriegsgefangene von einer SS – Einheit erschossen und von dem damaligen Bürgermeister und zwei Gehilfen am Ort der Erschießung beigesetzt, weil der damalige Ortspfarrer eine Beerdigung auf dem Ortsfriedhof abgelehnt hatte.

1972 gestaltete der Verschönerungsverein den Friedhof neu. Bäume wurden gepflanzt, Bänke aufgestellt und eine Schutzhütte gebaut, die jedoch bald einem Rowdytum zum Opfer fiel (Brandstiftung).

1984 wurde durch Soldaten des Nachschubkommando 3, Diez, Freiherr – vom – Stein – Kaserne, der Friedhof erneut instandgesetzt und verschönert.

Im April 1990 wurde der Friedhof erneut verwüstet. Grabschalen wurden zerbrochen und Grabkreuze umgeworfen.
Und im Oktober / November 1991 wurden noch einmal 7 Grabkreuze zerstört.

Der letzte, größere Verschönerungseinsatz fand am 12. 06. und 13. 06. 1998 durch die Reservistenkameradschaft Limburg statt.

Im Jahre 2004 fand am 9. und 10. Juli, auf Anregung des Ortsbeirates Dietkirchen und durch Planung und Durchführung eines Arbeitskreises aus Dietkircher Bürgern, ein Irish Folk Open Air Konzert statt, dessen Reinerlös der Restaurierung und Erhaltung des irischen Hochkreuzes dienen sollte.

Eine Restaurierung selbst fand dann allerdings erst seit April 2007 statt. Die Restaurierungsarbeiten wurden von der Fa. Matthias Steyer aus Niedernhausen unter der Leitung von der Restauratorin Silke Schaper durchgeführt. Im Juni wurde die Arbeit vollendet. Zeitgleich mit der Renovierung des Kreuzes wurde auch eine Bronzeplatte erstellt, auf der die Namen der verstorbenen irischen Kriegsgefangenen aufgelistet sind. Diese Namen waren auch im unteren Teil des Steinsockel des Kreuzes eingraviert, jedoch hatten Wind und Wetter besonders diesem Teil des Kreuzes im Laufe der Jahrzehnte großen Schaden zugefügt, sodass die Namen im Sandstein nicht mehr lesbar waren. Die offizielle Einweihung des sanierten Kreuzes fand dann am 18. November 2007 statt.

Wer Tote nicht ehrt, ihre Ruhe stört und sie bestiehlt, dem soll die Hand verdorren.


„ Und Totenhügel werden bis in’s dritte Glied,
den Enkeln spät noch stumm beredte Mahner sein,
daß nicht zu hoch sich heben soll des Menschen Stolz.“

( Aischylos, griechischer Tragödiendichter, 525 – 456 v. Chr.)

Quellen:
1) Geschichte des russischen Soldatenfriedhofes aus dem 1. Weltkrieg in Dietkirchen, Autor: Oberstabsfeldwebel a.D. Franz Prox

2) Schulchronik der Volksschule Dietkirchen Band II (1902-1969)
3) Erinnerungen Ludwig Ries